3. Sonntags im Jahreskreis B (Jona 3,1-5.10 und Markusevangelium 1,14-20)
Wendepunkte ins Leben
Jona 3,1-5.10: Das Wort des Herrn erging zum zweitenmal an Jona: Mach dich auf den Weg, und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde. Jona machte sich auf den Weg und ging nach Ninive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Ninive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren. Jona begann, in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört! Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, groß und klein, zogen Bußgewänder an. Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, daß sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus.
Markus 1,14-20: Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.
Über den Tellerrand hinauszuschauen, hat noch nie geschadet. Es weitet den Blick und lässt auf einmal Zusammenhänge erkennen, die verborgen bleiben, wenn man alles einzeln, in sich und für sich betrachtet.
So ergeht es mir mit den Gottesdienstlesungen dieses Sonntags. Wir hören sie nach den Festwochen von Weihnachten. Jetzt beginnt Jesus den Weg seiner Verkündigung. Es ist die Zeit der ersten Aussaat, die Zeit der ersten Jünger, die Zeit des Grundakkords von Jesu Botschaft. In diesen Zusammenhang hinein gelesen, wurzeln gerade die ersten Wochen nach Weihnachten deutlich in den Feiertagen, die hinter uns liegen. Weihnachten ist nicht abgehakt, vergangen und vergessen, sondern es will weitergehen, wachsen, Frucht bringen. Es geht weiter, wenn ..., - ja, wenn wir uns nicht ausklinken, sondern eingehen auf den Anruf, den es bedeutet.
Am vergangenen Sonntag hörten wir von Samuel, der als Knabe im Tempel die nächtliche Berufungsstimme Jahwes vernimmt, und von Petrus und Andreas, die vom Täufer Johannes auf Jesus aufmerksam gemacht werden. Heute erfahren wir von Jona, der nach Ninive geschickt wird, und noch einmal von Petrus und Andreas und auch noch von Johannes und Jakobus, die auf den ersten Anruf Jesu ihre Netze verlassen, um ihm nachzufolgen.
Samuels Berufung zeigt uns, wie dunkel und zugleich faszinierend weckend Gottes Anruf an den Menschen herantreten kann. Samuel weiß nicht recht, was er hört und wen er hört. Es dauert seine Zeit und er braucht Hilfe, den Ruf als Anruf Gottes zu verstehen. Jona in der heutigen Lesung hat sich gegen den Anspruch seines Gottes gewehrt. Er glaubte, ihm entfliehen zu können und doch hatte er ihn eingeholt.
Bei den ersten Jüngern Jesu sieht es ganz anderes aus. Sie überraschen uns mit der Fraglosigkeit, mit der sie dem Ruf Jesu folgen. Sie lassen uns mit der Frage zurück, ob es mit der Frage um die eigene Berufung wirklich nur so eindeutig, geradlinig und fraglos geht. Bin ich berufen, wenn ich jede Menge Fragen und Zweifel habe? Wie erkenne ich überhaupt meine Berufung zu dieser oder jener Aufgabe oder Lebensform, wie Gott sie für mich vorsieht?
Wahrscheinlich muss man beides sehen und beides zusammensehen, - das Beispiel der beiden Großen aus dem Alten Testament und das Vorbild der Jünger Jesu vom See Genesaret. Es gibt den langen Weg, wie ihn die beiden Propheten gegangen sind. Und es gibt den Wendepunkt, wie er uns für die Jünger in den Evangelien aufgezeigt wird. Er ist vielleicht nicht einfach, aber an ihm geht es einfach um das Entscheidende und darum einfach um alles.
Die Botschaft des Jona in Ninive und die Botschaft Jesu treffen sich genau in diesem einen Punkt. Heute, - jetzt – und nicht morgen, irgendwann oder ... „vielleicht, mal sehen“ – ist der Punkt erreicht, an dem es darauf ankommt, sich nicht mehr zu winden, sondern sich zu wenden. Gebt eurem Leben eine Wendung! Kehrt um! Gebt eurem Leben eine neue Richtung, - gebt ihm Ausrichtung auf Gott hin.
Die Leute von Ninive erkannten, was die Stunde geschlagen hatte. Sie glaubten Gott. Jesus ruft in seine Zeit und in unsere Zeit hinein: Glaubt an das Evangelium. Das Weihnachtsfest ist dieser Ruf!
Im Advent haben wir gesungen „Wachet auf, ruft uns die Stimme ...“ Es will mir scheinen, als ob die Lesungen des heutigen Sonntags das Lied anstimmen möchten: „Schlaft nicht wieder ein.“ Weihnachten, - die Geburt Jesu und sein Fest wollen nicht in die Erinnerung versinken. Sie rufen danach, im Heute gelebt zu werden.
Albert Altenähr OSB
2003-01-08
Für die Kirchenzeitung Aachen 4/2003.