Predigt zu Karfreitag 2016
Es ist vollbracht!
Liebe Schwestern und Brüder,
die christliche Tradition hat im Laufe der Zeit „die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz“ aus den vier Evangelien zu einer Einheit zusammen geführt. Heute möchte ich mit Ihnen über drei Worte kurz nachdenken, allerdings nicht aus der Perspektive Jesu, sondern aus unserer Perspektive als suchende und glaubende Menschen.
Das erste Wort: „Mich dürstet“ (Joh 19,28). Dieses Wort Jesu, das wir soeben hörten, lässt die Frage wach werden, wonach wir in unserem Leben dürsten. Was unsere tiefste Sehnsucht, unser größtes Verlangen ist. Oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst, da vieles in der Vielfalt des Alltags gar nicht wahrgenommen wird. Meine tiefste Sehnsucht angenommen und verstanden zu werden, die Sehnsucht, Gott zu entdecken. Und manchmal ist es nur die Sehnsucht nach dieser Sehnsucht, die unseren Durst ausmachen kann.
Das zweite Wort findet sich bei Matthäus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Mt 27,46 und Ps 22,2). Ein Schrei der Verzweiflung, aber auch ein Schrei der Sehnsucht. In der äußersten Gottferne klammert sich Jesus an seine Vater. Es ist Aufschrei im Leiden und zugleich tiefstes Glaubensbekenntnis. In der Gottverlassenheit kämpft er mit seinem Vater.
Können wir so rufen, so schreien, so ringen mit unserem Gott, wenn wir uns verlassen und missverstanden fühlen? Dieser Schrei, dieser Kampf kann dann, nicht unbedingt morgen oder übermorgen, vielleicht erst nach sehr langer Zeit der Ferne von Gott und den Menschen in das dritte annehmende Wort münden:
„Es ist vollbracht“ (Joh 19,30).