Der Osterfestbrief
Aus dem Kloster der ägyptischen Wüste schickte man einen Novizen zu Bischof Athanasius nach Alexandria, um zu fragen, wann denn in jenem Jahr das Osterfest zu feiern sei.
Der Novize eilte und platzte voll Eifer bei dem großen Bischof herein: „Dein Osterbrief, Vater! … damit wir die Nacht des Halleluja nicht versäumen!“
Der Bischof stand nicht an seinem Schreibpult. Federkiel und Tinte lagen bereit, und auch ein Blatt Papyrus lag auf dem Pult, … keine Zeile darauf, … kein Wort, … nichts.
Einladend lächelte der Alte: „Setz dich zu mir, mein Sohn. Genieße! … die Sonne, ihre Wärme, …das Licht.“
„Vater, …“
„Genieße! … die Blumen und ihren Glanz, … die Stunde, … den Augenblick.“
„Vater, die Brüder warten ...“
In sich versonnen schwieg der große Athanasius.
Nach geraumer Weile schaute er den Novizen an und … durch ihn hindurch in ferne Weiten.
„Ostern? … Wenn du in einem Blütentropfen alle Schönheit der Welt erkennst, … die Welt dir auf dem Kopf steht, … eine Ahnung dir aufgeht und das Herz dir singt, … dann …“
Und er schwieg.
Langsam stand er auf, griff aus einer Lade einen Briefpapyrus und reichte ihn dem Boten.
„Der war und der ist und der sein wird segne die Brüder mit seiner Freude.
Halleluja, jetzt und jeden neuen Tag.“
Albert Altenähr
2015-04-04 - Karsamstag Abend