Pfingsten
Osnabrücker Altar (1370-1380)
Köln, Wallraf-Richartz-Museum
Das Bild ist sehr bekannt …, in der Bilderfolge des Altars eindeutig als pfingstliche Geistsendung gemeint, aber eigentlich gar keine Darstellung des Pfingstgeschehens, das in der Bibel erzählt wird. Es ist viel mehr eine pfingstliche Theologie der Eucharistie bzw. eine eucharistische Deutung der Herabkunft des Geistes.
13 Personen sitzen eng gedrängt um einen runden Tisch, eine von ihnen eine Frau. Der Betrachter um das Jahr 1400 identifizierte sie ohne Zögern als Maria und die 12 Apostel1. Die vier bedeutendsten sitzen oben in der zentralen Mitte: Maria und neben ihr Petrus (erkennbar an seinem gestutzten Vollbart und seinem „Wuschelkopf“), - Maria gegenüber der jugendliche, bartlose Lieblingsjünger Johannes und … Paulus (mit hoher Stirn und spitzem Philosophenbart2). Obwohl schon gewählt, spielt der (Ersatz-)Apostel Matthias in der Bilderinnerung keine Rolle. Paulus hingegen ist wegen seiner späteren Bedeutung als Missionar der Heiden und als Theologe in Geschichten hereingerutscht, bei denen er gar nicht zugegen war.
Die 13 sitzen auf einer Rundbank an einem runden, mit einem festlichen Tuch bedeckten Tisch. Sie sind eine Runde. In der Mitte des Tisches die runde Hostie, die die Taube noch im Schnabel trägt und wohl gerade erst in die Tischmitte abgelegt hat. Das Runde prägt die ganze Szene. Sie zeigt eine „runde Sache“.
Die sich wiederholende Rundform kann unterschiedliche Assoziationen wecken. So eng wie die Apostel da zusammengerückt sind, kann man sie als (in sich ab-)geschlossen Kreis ansehen, die sich nach außen abschließen.
Der äußere, biblische und der bildimmanente Kontext lassen aber eher an eine innere Klausur-Konzentration der Tischgemeinschaft denken. Ihre gefalteten Hände und ihre würde-geprägten Blicke sprechen von Andacht, Anbetung, Erwartung.
Alles zentriert sich auf die Mitte der Szene, die Hostie. Sie ist rot umrandet und rote Linien-Strahlen gehen zu den Mündern der Tischgefährten. Die Hostie will …, die Hostie wird – wie wir Katholiken sagen – kommuniziert werden.
Der geschlossene Kreis ist zwischen Maria und Johannes geöffnet für die herabsteigende Heilig-Geist-taube. Sie trägt eine kleinere Hostie im Schnabel. Er wird sie in die große Hostie auf dem Tisch „hineingeben“. Der Heilige Geist ist es, der das irdische Brot zur heiligen (Gottes-)Gabe, zur Eucharistie, zum Leib Christi macht.
Das Pfingstbild des Osnabrücker Altars deutet die Wandlung der Gaben Wein und Brot in Leib und Blut Jesu Christi offensichtlich als den Gipfel des pfingstlichen Ereignisses und Geheimnisses. Die Eucharistiefeier ist in der Aussage des Malers der Pfingst-Festakt schlechthin.
Pfingsten ist der Beginn des neuen Himmels, der neuen Erde und des neuen Menschen. Das verdichtet sich in der Wandlung des Brotes in den Leib und des Weines in das Blut Christi. Das ist die Botschaft des Bildes oder zumindest die Aussage, wie sie in mir aufsteigt, wenn ich das Bild betrachte.
Ist das Bild also eine gemalte Übersetzung eines theoretischen, dogmatischen Gedankens oder gar einer ganzen Theologie? Ohne das weit wegzuschieben, wäre mir diese Formulierung dann doch zu abgehoben. Ich sehe es lieber als die Darstellung eines ganz konkreten Gebetes der Messe, … als eine Momentaufnahme aus der Messliturgie. Ich meine, in der Szene das Gebet des Priesters unmittelbar vor der Wandlung erkennen zu dürfen3.
Der Priester streckt die Hände über die eucharistischen Gaben aus und betet dabei: „Heilige unsere Gaben durch deinen Geist, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“4
Albert Altenähr
2019-06-01
1In der Apostelgeschichte wird für das Pfingstwunder keine Zahl angegeben. Dort heißt es einfach, dass sie alle zusammen waren (Apg 2,1). Bei der Wahl des Apostels Matthias, wird die Zahl „etwa 120“ genannt (Apg 1,15), Maria und 11 Apostel werden namentlich genannt als die, die im „Obergemach“ beständig im Gebet verharrten; weiter waren dort „die Frauen und seine [= Jesu] Brüder“ (Apg 1,13-14).
2Die Physiognomie des Petrus und des Paulus ist bildnerisch seit ältesten Zeiten festgeschrieben, so dass eine Vermutung dahin geht, dass die historischen Personen der beiden tatsächlich so ähnlich ausgesehen haben könnten.
3In der Fachsprache der Liturgiker wird dieses Gebet „Epiklese“ genannt. Für meine Bildbetrachtung ist dazu lesenswert: https://www.herder.de/gd/lexikon/epiklese/ .
4Formulierung des heutigen 3. eucharistischen Hochgebetes. Ich will mit dem Zitat aus dem 3. Hochgebet nicht dem Priester am Ende des 14. Jhd. nicht den modernen Text in den Mund legen. Sein Text wird anders gelautet haben.