Santa Maria in Trastevere, Rom
Weihnachten vor 700 Jahren
Santa Maria in Trastevere ist allen historischen Quellen nach die älteste Marienkirche Rom. Dem Kornelimünsteraner Mönch ist die Kirche auch deswegen immer eines Besuches wert, weil für die Zeit des Papstes Gregor IV. (827–844) nicht nur ihr Marienpatrozinium erwähnt wird, sondern als anderer Name auch „Basilica Callisti und Cornelii“. Im Zuge umfangreicher Reliquiensicherungen waren Ende des 8. / Beginn des 9. Jahrhunderts zahlreiche Heiligenreliquien aus den vorstädtischen Katakomben in Kirchen innerhalb der Stadt vorgenommen worden. Kornelius ist auch im Mosaik des Apsisrundes (um 1140) einer der Heiligen, die Christus und seiner Mutter huldigen.
Spätere Mosaiken der Kirche Santa Maria in Trastevere aus dem letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts erzählen das Leben Marias in sechs Szenen: Geburt Marien – Verkündigung – Geburt Jesu – Huldigung der Magier – Darstellung Jesu im Tempel – Tod Mariens.
Man kennt den Künstler, Petrus Cavallini, und den Auftraggeber, Kardinal Petrus Stefaneschi. Es wird auch angenommen, dass letzterer die deutenden Verse unter den Bildern verfasst hat.
Das Weihnachtsbild zeigt uns die Szene auf den Feldern von Betlehem in großer Vertrautheit: Maria, das Kind, Josef, - Ochse und Esel, - Engel, Hirten und Schafe.
In seiner Darstellungsweise verbindet das Mosaik Ewigkeit und irdische Nähe. Es spiegelt Hoheit, wie wir sie nach wie vor in den ostkirchlichen Ikonen finden, und fast bukolische Krippenfreude. Es verbindet das Himmelsgold der Göttlichkeit mit den tiefen Farben der Erde.
Die Szene spielt in einer Höhle. Über ihr der goldene Himmel und in der Ferne der Verborgenheit Gottes der Stern, der über Jakob aufgeht. Der Höhlenfels ist durchglüht vom Himmelslicht. Als Lichtzelt überschattet er die, die geboren hat, und das Kind. Engel beugen sich voll Verehrung über den Fels. Einer verkündet die große Freude an einen Hirten, der sich - ahnend?, sehnsüchtig? - in den Goldglanz Gottes hinein aufrichtet.
Josef sitzt noch ganz im Schatten der Erde. Er schläft, - grübelt, - hat noch nichts verstanden, - ist nicht dabei und nicht „drin“. Ihn muss noch ein Engeltraum wecken.
Auch der kleine Hirtenjunge, der mit vollen Backen sein Flötenhorn spielt, ist noch ganz im Schatten. Mit seinen Schafen, dem Bock im Hintergrund und dem Hund an seiner Seite ist er fast ein Bild in sich. Könnte es sein, dass er auch als ein Bild für die Hirtenaufgabe des Kindes in der Krippe gemalt wurde? Die Schafe hören die Musik des Hirten. Sie kennen sie. Sie folgen seinem Flötenklang.
Und dann ist da noch ganz markant ein Gebäude mit großem Tor, mit einem Turm und einer langen Beischrift „taberna meritoria“. Von diesem Gebäude geht so etwas wie ein dunkler, „fließender Weg“ aus. Er führt zu einem Fluss hinunter, zu dem Schafe sich zum Trinken herabbeugen. Was will dieses Detail mitteilen.
Mit diesem Gebäude und seiner Beischrift wird in die Krippenszene die Geschichte der Kirche Santa Maria in Trastevere hineingestellt. Die Krippe wird gewissermaßen in die Gemeindesituation von Trastevere hineingeholt. Oder umgekehrt: die Gemeinde von Trastevere stellt sich selbst in die Krippensituation hinein.
Das Bilddetail erinnert an ein „Öl-Wunder“, das kurz vor der Zeitenwende hier stattgefunden haben soll. Hier war ein Gasthaus / Legionärshospiz, eine „taberna meritoria“. Auf ihrem Gelände sprudelte im Jahr 38 v.Chr. für einen Tag und eine Nacht ein reichhaltiger Ölquell, der sich in den nahen Tiber ergoss. Eine frühe jüdische und christliche Deutung dieses Ereignisses als Voraus-Verkündigung auf den Messias, den mit Öl Gesalbten, ist bei Hieronymus in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts belegt.
In der Kirche halten eine Inschrift „fons olei - Ölquelle“ an einer Chorschranke, eine weitere in der Kassettendecke und eben unser Mosaik mit der „taberna meritoria“ und den Versen unter dem Bild die Erinnerung an die alte Natur-Weissagung wach. Diese merk-würdige Quelle und ihre Botschaft waren offensichtlich der Stolz der Gemeinde und sicher auch Anstoß, die Botschaft von der Menschwerdung Gottes als Quelle christlichen Lebens wahrzunehmen.
Was für die Gemeinde im römischen Trastevere gilt, kann in jede Gemeindesituation übernommen werden, - ja, in die Lebenswirklichkeit eines jeden einzelnen Christen. Krippen sind in das Heute des konkreten Lebens zu übersetzen. Gottesgeburt wird und ist erst, wenn wir selbst uns in das erzählte Geschehen hineinbegeben. Wo das nicht geschieht, bleibt Weihnachten draußen vor der Tür.
Die beiden Inschriften unter dem Mosaik bzw. in der Kassettendecke und der Hinweis bei Hieronymus seien kurz übersetzt. Die Inschrift unter dem Mosaik ist dabei sicher schwieriger zu übersetzen, da das lateinische Versmaß Wortwahl und Wortfolge bestimmt. Das führt zu einer spielerischen Freiheit in der Aussage, von der ich mir als Übersetzer nicht sicher bin, ob ich sie in allem richtig entschlüsselt und in mein theologisches Verstehen übertragen habe.
Die Verse unter dem Mosaik:
Iam puerum iam summe pater post tempora natum
accipimus genitum tibi quem nos esse coevum
credimus hincque olei scaturire liquamina tybrimHöchster Vater, als Kind geboren in der Fülle der Zeit
haben wir den Eingeborenen empfangen. Dass er uns Zeitgenosse ward,
glauben wir, und dass von hier Öl sich zum Tiber ergoss.
Die Zeilen in der Kassettendecke:
In hac prima Dei matris aede
taberna olim meritoria
olei fons e solo erumpens
Christi ortum portenditIn dieser ersten Kirche der Gottesmutter,
die damals ein Hospiz war,
entsprang aus der Erde ein Ölquell.
Er weissagte die Geburt Christi.
Hieronymus schreibt im Kommentar zu den Büchern der Chronik:
E taberna meritoria trans Tiberim, oleum terra erupit, fluxitque toto die sine intermissione, significans Christi gratiam ex gentibus.
Bei der taberna meritoria jenseits des Tibers sprudelte Öl aus der Erde und floss ohne Unterbrechung einen ganzen Tag. Es wies auf die Gnade Christi bei / aus den Heiden hin.
Albert Altenähr OSB
2007-12-23