Vom Reichtum der Kirche
Schätze den Schatz
Ist die Kirche reich? Sind die Klöster reich? Ist das Kloster Kornelimünster reich? Ist ein Mönch, der doch Armut gelobt hat, wirklich arm? Über diese oder ähnliche Fragen lässt sich trefflich streiten, - in akademischen Höhen und am Stammtisch, - zwischen dem konkreten Kirchensteuerzahler und dem Pfarrer, - zwischen dem Sozialhilfeempfänger und dem Vertreter gepflegten Kulturbürgertums.
Darf die Kirche überhaupt reich sein? Muss sie nicht vielmehr arm sein? .. Wirklich, es lässt sich trefflich über all das streiten, ... und das stundenlang und bis in alle Ewigkeit. Denn was kann man nicht alles unter Reichtum verstehen ..., - wo ist die Grenze zu ziehen zwischen Armut und Reichtum ..., - was macht reich ..., - was arm ...?
Ich scheue mich nicht, - ja, ich will es provozierend pointiert sagen: Die Kirche ist reich! Und ich will es ganz konkret zu sagen wagen: Unser Kornelimünster ist reich! Und wir sollten das nicht nur sehen, sondern es auch leben. Wie das?
Auf die Spur des Reichtums, der mir vor Augen steht, bringt mich u.a. der Blick in die Geschichte. Die Kirchen und Klöster der fernen Vergangenheit sahen ihren Reichtum in den Reliquien der Heiligen. Der Besitz solcher Reliquien versicherte sie des himmlischen Schutzes und der Fürsprache ebendieser Heiligen. Ihre Feste waren die hohen Feiertage der Kirchen. Sie zogen die Menschen an und waren Chancen der geistlichen Verkündigung und natürlich auch weltlicher Geschäfte. Der äußere, materielle Reichtum, der sich durch diese Geschäfte zweifellos ansammelte, hatte aber immer im Hintergrund das Wissen um und die Pflege der geistlichen Geborgenheit im Jenseits.
Wir haben heute zweifellos ein anderes Verhältnis zu Reliquien als die Jahrhunderte vor uns. Aber die Spur, die sich in ihnen aufweist, kann auch uns Heutige weiter führen. So sehr die Alten das Reliquien-Knöchelchen X vom Heiligen Y als sicht- und greifbaren Schatz werteten, so sehr waren sie sich bewusst, dass sich in ihnen etwas ganz anderes verbarg als „Materie der Erde“. Den Schatz in und hinter allem hoch Geschätzten gilt es zu entdecken. Wer sich auf diese Entdeckungsreise begibt, der wird nicht selten finden, dass der gesuchte Schatz ganz woanders zu finden ist, als wo er ihn vermutete. Wer die goldene Stadt Jerusalem sucht, darf sich durch Jerusalems irdische Prachtmauern und –bauten nicht blenden lassen (vgl. Lk 21,5-6).
Die Kirche ist reich. Der Reichtum der Kirche sind aber weder Bauten, Kunstwerke oder gesunde Finanzen. Der Reichtum der Kirche ist Gott. Er ist in der Fülle der Visionen da, aber auch und gerade in den Details. Er ist da auf den Höhen und in den Tälern, - in den erhebenden und in den bedrückenden Erfahrungen des Lebens. Vielleicht ist gerade das das verderblich Diabolische: dass wir dem Teufel das Reich der Details zuerkannt haben. Müsste man es nicht (zumindest auch) ganz anders als unser Sprichwort sagen: „Gott steckt im Detail!“? Er, der sich erniedrigte (vgl. 2,8) Phil, erhebt genau in dieser Erniedrigung den Herrschaftsanspruch über die Welt des Details.
Die Kirche ist reich. Ihr Reichtum sind nicht Marmor, Stuck und Statuen. Ihr Reichtum sind die lebendigen Steine, aus denen Gott sein Haus baut (vgl. 1 Petr 2,5). Der Reichtum der Kirche sind die Menschen, die die „Traute“ haben, Gott und seiner Botschaft zu trauen. Der Reichtum der Kirche sind wir . Wir sind Gottes Volk und Reichtum. Ist das etwa wenig oder sogar gar nichts? Das ist was! Es ist unendlich viel . Wir sind reich, weil wir Gottes und der Kirche Reichtum sind.
Und noch einmal lassen Sie es mich sagen: Die Kirche ist reich – und auch Kornelimünster ist reich. Das Gottesgeschenk an uns und sein Glaubensgeschenk in uns mögen wir vielleicht nur als Samenkörner oder Fruchtkerne wahrnehmen. Aber in diesen Körnern und Kernen steckt die Kraft und Möglichkeit von Wäldern, Plantagen und Gärten (vgl. Matth 13,31-32). Die Talente Gott, Glauben und die buntesten irdischen Begabungen sind ein Potential, das gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wir sind reich. Jeder von uns ist reich!
Wenn wir auf das starren, was andere haben und wir vielleicht nicht, - wenn auf das, was unsere Träume als notwendig oder auch nur wünschenswert in uns hineinspiegeln, dann gleiten wir mehr und mehr in ein Jammertal hinab. Er, der sich erniedrigte, kann uns die Augen öffnen, dass das Jammertal eine Goldgrube ist. Aus dem, was wir haben, will die goldene Stadt Jerusalem gebaut werden (vgl. Tob 13, 17-18; Offb 21,9-22,5).
Abt Albert Altenähr OSB
2003-07-21