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Oblatentreffen in Tyniec

07. bis 10. November 2003

Erstes gesamtpolnisches Oblatentreffen in Tyniec

Pater Albert (l.) und Schwester Maria Nowack (r.) mit Dolmetscherin (m.)Der Wechsel im Amt des Oblatenrektors in der Abtei Tyniec vor gut einem Jahr und damit verbundene Überlegungen zur weiteren Oblatenarbeit führten zur Idee, die einzelnen Oblaten und darüber hinaus die Oblatengemeinschaften der verschiedenen polnischen Klöster stärker zusammenzuführen. Impuls dafür war das polnische Oblatenstatut von 1986, das eine entsprechende Zielperspektive formuliert, der aber bisher keine Beachtung geschenkt wurde. Auf die Einladung zu einer größeren Zusammenkunft reagierten vor allem die Tochtergründungen von Tyniec, Lubin und Biskupów. Ein tragischer Todesfall im Kloster Biskupów ließ kurzfristig die Oblatendelegation von dort und einen der vorgesehenen Referenten ihre Teilnahme an der Tagung absagen. In welchem Umfang das Oblateninstitut bei den Frauenklöstern Polens lebt, war den Veranstaltern aufgrund nur begrenzter Reaktion auf die Einladung zu der Tagung unklar. Die Zielsetzung eines gesamtpolnischen Treffens der Oblatengemeinschaften reduzierte sich so auf den Charakter einer überabteilichen Tagung.

Die Abtei Tyniec ist 1044 von Kasimir dem Erneuerer, einem Sohn der deutschen Prinzessin Richeza aus der ottonischen Kaiserfamilie gegründet worden. Richeza (um 1000 – 21.3.1063) hat die Abtei Brauweiler - eine Gründung ihrer Familie – dem Bistum Köln geschenkt und als ihre Grablege bestimmt. Erzbischof Anno von Köln - der Gründerbischof der Abtei Siegburg - hat sie dann aber im Kölner Kloster Mariengraden bestattet. Seit 1817 sind ihre Reliquien im Kölner Dom (Johanneskapelle). - Tyniec liegt hoch auf einem Felsen über der Weichsel, 10 km von Krakau entfernt. 1816 wurde die Abtei durch Österreich, zu dem sie nach der dritten polnischen Teilung gehörte, aufgehoben. Polnische Mönche aus der flämischen Abtei Sint Andries, Brügge-Zevenkerken, haben einen Monat vor Beginn des Zweiten Weltkriegs Tyniec 1939 neu besiedelt. Augenblicklich hat Tyniec etwa 40 Mönche. - Tyniec hat seinerseits das alte Kloster Lubin 1983 als abhängiges Priorat  übernommen und Biskupów gegründet. Das Kloster Lubin wird in allernächster Zeit zum unabhängigen Priorat erhoben. Der Beschluss für die Erhebung ist bereits gefällt, die Abwicklung der Formalien ist dem Weg. In diesem Jahr hat Tyniec mit einem polnischen und zwei slowakischen Mitbrüdern eine Gründung in der Slowakei begonnen. Drei slowakische Kandidaten machen z.Zt. in Tyniec ihr kanonisches Noviziat für diese Neugründung.

Tyniec hat etwa 40 Oblaten, Lubin 50. Um eine Tyniecer Oblatin aus Allenstein hat sich ferner ein Oblaten-naher Kreis gesammelt, der eine relativ regelmäßige Begleitung durch den Oblatenrektor von Tyniec erfährt. Vor langen Jahren hat sich außerdem aus Exerzitien eines Benediktiners eine Priesteroblatengruppe in und um Warschau gebildet, die aber nicht in die Oblatenarbeit eines der polnischen Klöster integriert ist. Der Oblatenrektor von Tyniec will sich um einen Kontakt zu dieser Gruppe bemühen. Allgemein wird festgestellt, dass der Altersdurchschnitt in den polnischen Oblatengemeinschaften sehr hoch ist. Die Teilnahme an Oblatentreffen ist entsprechend der Altersstruktur zurückgehend. Die Frage nach dem Selbstverständnis, den Inhalten und Formen der Treffen und auch der Außendarstellung des Oblateninstituts bewegt die Verantwortlichen, um neue und vor allem jüngere Interessenten anzusprechen.

In der Vorbereitung der Tagung entspann sich ein Kontakt zur „Arbeitsgemeinschaft Benediktineroblaten“, der zu einer Einladung zur Tagung führte. Sr. Maria Nowack, Alexanderdorf, und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Abt Albert Altenähr, Kornelimünster, konnten die Einladung annehmen.

Sr. Maria stellte unter der Überschrift des Regelzitats „Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens“ als Akzent des Alexanderdorfer Oblatenverständnisses die je individuelle Gottessehnsucht der Oblaten und den Spannungsbogen der Erfüllbarkeit dieser Sehnsucht vor. Abt Albert, der für den ausgefallenen Referenten aus Biskupów eingesprungen war, griff die Referate von P. Konrad Malys, Tyniec, „Den verborgenen Gott finden“ und Frau Prof.Anna Swiderkówna, Oblatin des Frauenklosters Zarnowiec in Nordpolen, „Benediktinische Frömmigkeit für Laien. Ut in omnibus Deus glorificetur“ mit Gedanken über „Ein Gott der Überraschungen“ auf. P. Konrad setzte den Akzent auf die Gegenwart Gottes in der Liturgie, Frau Swiderkówna warnte u.a. vor der Selbstsuche unter dem Vorwand der Gottsuche. Abt Albert leuchtete die Begegnung mit Gott in den Geschehnissen des Alltags und den Begegnungen mit den Menschen aus. Dass sich die Aussagen der einzelnen Referate immer wieder berührten oder gar überschnitten, war dabei kein Mangel, sondern zeugte von dem gemeinsamen Netz benediktinischer Spiritualität.

Die Gastfreundschaft und die Aufgeschlossenheit für die beiden deutschen Oblatenrektoren waren beeindruckend. Die Sprachbarriere war niedriger als erwartet, da etliche der polnischen Oblaten des Deutschen mehr oder weniger mächtig waren. Für das ausführliche Referat von Sr. Maria hatte man zudem eine Germanistin als Dolmetscherin hinzugebeten. Die intensive Nutzung von Kassettenrekordern und zahlreiche Fotoschnappschüsse sind ein äußeres Zeichen, dass die Tagung in sich als ein Ereignis erlebt wurde, das den Teilnehmern gut tat. Die Fragen bei den Aussprachen zu den Referaten zeugten von der Not nach und der Hoffnung auf Gott. Den deutschen Gästen fiel in diesen Aussprachen auf, dass die Frage nach dem Gebet sich oft auf die Frage nach den Gebeten konzentrierte und reduzierte. Infolge dieser Reduktion tat man sich schwer, das „ora et labora“ aus einer Addition zweier separater Lebensvollzüge zu einer inneren Einheit zusammenzuführen. Wieweit die Tagung ein neuer Anstoß für ein lebendiges Oblatentum in Polen sein konnte, wird die Zukunft erweisen. Für die Teilnehmer war sie auf jeden Fall eine neue Auseinandersetzung mit ihrem alten Versprechen und ihrer bleibenden Gottessehnsucht. Dasselbe dürfen auch wir deutschen Gäste dieser Tagung von uns selbst sagen.

Albert Altenähr OSB
2003-11-09