Gedanken zur Eucharistie
Die Kelter der Liebe
Auf unserem Tabernakel finde ich das Medaillon mit einem Kreuz in der Weinkelter. Das alte Motiv „Christus in der Kelter“, das ihn als Schmerzensmann unter der Presslast der Sünde der Welt deutet, hat für das Medaillon nicht nur entfernt Pate gestanden, sondern ist schlicht aufgegriffen und in moderne Formensprache übersetzt. Die Kelter mit ihrem Aufbau, der Schraube und dem Bottich ist klar zu erkennen. Ein Kreuz wird „gekeltert“ und aus ihm fließen große Bluttropfen herab. Der Gekreuzigte ist nicht ins Bild gesetzt, aber sein Blut tropft aus der linken Kreuzseite, - der Herzseite. Eine Weintraube deutet den Zusammenhang von Wein und Blut Christi in der eucharistischen Liturgie an: „Das ist mein Blut“
Unter dem Medaillon ist das Schlüsselloch des Tabernakels zu erkennen. Ich denke, der entwerfende Künstler wollte mit jedem der Medaillons versuchen, das Geheimnis zu erschließen, das wir in der Eucharistie feiern und das der Tabernakel umschließt. Der Tabernakel will das Geheimnis schützen und bergen, aber nicht verstecken und unter Verschluss halten. Die Medaillons sind Fenster und Schlüssel in das „Geheimnis des Glaubens“.
Die nüchterne graphische Sprache der Medaillons fügt sich gut in die nüchterne Architektur der Kirche und ihre zurückhaltende Ausstattung ein. Unsere Kirche ist nicht „schmuck“, geschweige denn „herzig“. Sie führt geradewegs in die Begegnung und Auseinandersetzung. Sie ist klare Ansprache und kündet so vom Anspruch Gottes auf ein klares Bekenntnis. Sie lädt nicht ein zum Verweilen des „Ach, wie ist das schön“, sondern spricht von der Herbheit des Glaubens, aber auch von seiner Kraft.
Das Kelter-Medaillon auf dem Tabernakel versenkt sich nicht in ein Mitleidsgefühl, sondern lenkt den Blick auf die Ursachen des Schmerzes - das Kreuz und die Kelter. Der Blick geht aber auch auf die Tiefe, in der sie erlebt und getragen werden - im Herzblut und im Blut-Wein des Abendmahls. Das eine spricht vom Menschen, der sich versagt hat und immer wieder versagt. Das andere kündet von der Liebe Jesu Christi in der Hingabe bis zum Tod und im Geschenk der Eucharistie.
Der Evangelist Johannes spricht von dieser Spannung zwischen göttlicher Zuwendung und menschlicher Ablehnung, wenn er sein Evangelium unter das Thema stellt: ER kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen IHN nicht auf. Im Mittelalter ist der Schmerzensmann in der Kelter (seit dem 12. Jhd. belegt) Zeuge derselben Botschaft. Die Herz-Jesu-Mystik bis hin zu den bei uns Heutigen wenig geliebten Herz-Jesu-Darstellungen des 19. Jhd.) sagt dasselbe noch einmal anders. Und unsere Tabernakel-Graphik kündet im Stil der Zeit vor 50 Jahren nichts anderes. Der Mensch ist ein Herzensanliegen Gottes.
Es geht um die un-bedingte Liebe und ihre Sehnsucht nach Antwort. Es geht um un-endliche Liebe und ihre schutzfreie Verletzlichkeit. Es geht um Liebe und ihre un-sterbliche Kostbarkeit und Fruchtbarkeit. Es geht um göttliche Liebe, in deren Brennspiegel irdische Liebe zu vollem, reinem Feuer aufflammen kann. Sie ist der Schmelzofen, in der der Mensch Mensch wird.
Abt Albert Altenähr OSB
2006-10-06