Engellied und Erdenglaube
Gloria in excelsis: Deus – bona voluntas hominibus: Pax
In der Weihnachtszeit 2018 stieß mir immer wieder in den unterschiedlichsten Texten das Wort „Herrlichkeit“ auf. Es gehört fast zu den Otto-normal-Worten unserer religiösen Sprache, so dass man / ich es kaum wahrnehme, wenn es hier oder da und immer wieder im Alltagsvollzug der Liturgie auftaucht. Es ist da, … und dann auch schon wieder weg. In dieser Weihnachtszeit platzte dieser unbeachteten Normalität aber der Kragen. Vielleicht lag es daran, dass gerade in den Texten der Weihnachtszeit das Wort von der Herrlichkeit mit noch einmal verstärkter Häufigkeit im liturgischen Sprachspiel präsent ist.
Meine Gedanken kreisten um das deutsche Wort, Herrlichkeit, seine Entsprechung im Lateinischen, gloria, und dem Hebräischen, kavod, - weniger um das griechische doxa. Sie haben ein bisschen Wissen als Hintergrund, sind hier aber vorwiegend durch mein persönliches Sprachempfinden geprägt1.
Was geht mir durch den Kopf, wenn ich das deutsche Wort Herrlichkeit höre. Vor allem: es ist sehr wenig konkret, … so herrlich offen für alles Mögliche. Das Bild von etwas Strahlendem voller Glanz steht mir vor Augen, das mich fasziniert staunen lässt. Es lockt, mich darin zu versenken und es voll zu genießen. Ich schließe die Augen und bin „einfach weg“, … eins mit mir selbst und mit Gott und der Welt. Es ist ein Blitz-Licht der Antwort auf alle Fragen, ein Augen-Blick der (Er-)Lösung aller Probleme, vielleicht schmerzvoll kurz und doch zugleich zeitlos unendlich.
Das lateinische Wort gloria ist mir (… und wohl den meisten der Leser dieses Zeilen) als „Liedelement“ im Messablauf geläufig. Als Gesang der Engel über den Feldern von Betlehem ist es das Freudenwort des Weihnachtsfestes schlechthin. Als Abschlussformel von Gebeten ist das lateinische Wort vielleicht nicht ganz so stark im Bewusstsein, aber doch nicht ganz unbekannt: „Ehre sei dem Vater … - Gloria Patri ...“ Solche Gebetsabschlüsse nennen wir in unserer Theologensprache Doxologien, = Herrlichkeits-Worte. Wir übersetzen diese Gloria-Aussagen als Beziehungsaussage von Geringeren auf den Höheren hin: Ehre sei Gott von den Menschen / von seinen Geschöpfen her. So ist es ein Auftrag, der den Menschen gegeben ist, eine zu pflegende Beziehungsrichtung von den Menschen zu Gott. Übersetzen wir es einmal etwas anders: Herrlich ist Gott, das erkennen und bekennen wir. So ist es zuerst eine Aussage über Gott, und wir Menschen freuen uns daran.
Das Alte Testament spricht von der kavod Jahwes. Sie ist das „Gewichtige“ ..., das was „Gewicht“ hat, … das was wichtig ist. Wenn ich diese Wortübersetzung in mir spielen lasse, dann ahne ich die persönliche Anfrage, welche Bedeutung Jahwe / Gott für mich hat. Die kavod Jahwes legt sich auf den Berg der Gesetzgebung, erfüllt das Zeltheiligtum und den Tempel, umstrahlt Mose und erscheint dem Volk. Bei Ezechiel zieht sie aus dem Tempel aus und deutet so eine Entsakralisierung und Säkularisierung Jerusalems an. Derselbe Prophet kündet auch eine Wiederkehr, von Osten herkommend, an, gewissermaßen eine „Neuevangelisierung“. Wo und wie auch immer, ohne die Kavod Jahwes ist die Welt „leicht“, „zu leicht“2. Die Frage spielt sich an mich heran, ob ich mich nicht immer wieder in einen „Glauben light“, in ein Leben fern und mit recht wenig oder gar ganz ohne Gott hinausflüchte.
Unmittelbar – täglich, ja mehrmals täglich – begegnet mir das Wort im Vaterunser-Schluss: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“ ...
… und in der Eucharistiefeier
- am Ende der Präfationen: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit“,
- in der Antwort auf den Zuruf „Geheimnis des Glaubens“ nach der Wandlung: „… bis du kommst in Herrlichkeit“,
- in der Schlussdoxologie der eucharistischen Hochgebete: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit. „
Das Wort von der „Herrlichkeit“ ist mir in dieser Weihnachtszeit zu einem Stolperwort geworden. Es lockt mich durch seine gestaltsprengende Offenheit in eine Offenheit, die alle irdischen – und damit begrenzten – Vorstellungen übersteigt. Was kein Auge gesehen hat, - was kein Ohr gehört hat, - was „einfach großartig“ ist, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben (1 Kor 2,9), … herrlich!
… und das Echo-Geschenk des Himmels: Friede
Albert Altenähr
2019-01-12
1 Umfassend: Hans Urs von Balthasar, Herrlichkeit, Eine theologische Ästhetik, 3 Bände, Einsiedeln. - Der Verlag schreibt dazu im Internet: „Ohne den Aspekt der Herrlichkeit würde die ganze Religion, so wahr und so gut sie sonst wäre, zu einer Sammlung von richtigen Sätzen und nützlichen Einrichtungen herabsinken. Nur das Schöne begeistert die Menschen und reißt sie zu der «nobeln Tollheit» (Nietzsche) hin, die jener totale Lebenseinsatz ist, wie Christus ihn von den Seinen fordert. Gegen eine sichtlos gewordene Theologie wird hier gezeigt, dass die christliche Urtatsache eine Gestalt (forma, daher formosus, schön) in die Weltgeschichte schreibt, die nicht nur «geglaubt» werden muss, sondern unbedingt gesehen werden kann.“ Einen Eindruck über das Werk Balthasars gibt https://www.sankt-georgen.de/fileadmin/user_upload/personen/Loeser/loeser19.pdf
vgl. auch: https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ehre-herrlichkeit/ch/6492e846b62e0703f9ee229f254b767b/#h1
… und dann könnte man auch mit Anselm von Canterbury weiterdenken: „Et quidem credimus te esse aliquid, quo nihil maius cogitari possit - Und zwar glauben wir, dass du etwas bist, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.“
2 Vgl. Daniel 5,25-28, das sprichwörtlich gewordene „Menetekel“ = die Tage deiner Herrschaft sind gezählt; du wurdest gewogen und zu leicht befunden.