Zu Regula Benedicti 49,7
Mit geistlicher Freude Ostern entgegen
Im Fastenkapitel der Benediktregel findet sich das Wort an den Mönch: „Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er das heilige Osterfest“ (RB 49,7). Stichworte für ein weiteres Nachdenken dieses einen Satzes können „Sehnsucht und Freude“, - das dann noch einmal als innere, geistliche Haltung und „Warten“ und „Ostern“ sein.
Wenn Benedikt von der geistlichen Freude auf das Osterfest spricht, dann hat er zuerst ganz bestimmt das je und je konkrete Osterfest der aufeinander folgenden Jahre vor Augen. Würde er heute schreiben, dann stünde ihm unmittelbar das Osterfest 2007 vor Augen.
Ostern ist das einzige Fest, das Benedikt in seiner Regel erwähnt. Seine besondere Erwähnung lässt nachfühlen, welche Bedeutung es für Benedikt und sein Verständnis des Mönchtums hat. Es ist nicht irgendein Fest, sondern das Fest schlechthin, auf das hin mönchisches Leben im Jahreskreis unterwegs ist und von dem her es sich immer wieder versteht.
Die Bedeutung des Osterfestes wird auch in einer Erzählung der Vita Benedikts aus der geistlichen Anfangszeit des Heiligen deutlich. Ein Priester wird durch ein Wort Gottes zu Ostern aufgefordert, nach dem Einsiedler Benedikt zu suchen und mit ihm sein (Oster-) Mahl zu teilen. Es heißt dann, nachdem er ihn gefunden hat: „Sie beteten miteinander, priesen den allmächtigen Herrn und setzten sich nieder. Nach beglückendem Gespräch über das wahre Leben sagte der Priester, der gekommen war: »Auf! Wir wollen Mahl halten, denn heute ist Ostern.« Der Mann Gottes gab zur Antwort: »Gewiss! Es ist Ostern, denn ich durfte dich sehen.« Er wusste nämlich nicht, dass auf jenen Tag das Osterfest fiel; so weit hatte er sich von den Menschen entfernt. Der ehrwürdige Priester versicherte ihm aufs neue: »Heute ist Ostern, der Tag der Auferstehung des Herrn. Da darfst du nicht fasten; denn dazu bin ich gesandt, dass wir gemeinsam die Gaben des allmächtigen Herrn genießen.« Da priesen sie Gott und hielten Mahl“ (Gregor d.Gr., Dialoge II,1,7).
In der Erzählung Gregors d.Gr. kommt Benedikt zunächst gar nicht der liturgische Tag Ostern in den Sinn, sondern er akzentuiert ein zwischenmenschliches Geschehen, die beglückende Begegnung und den geistlichen Austausch dabei, als Ostergeheimnis: „Es ist Ostern, denn ich durfte dich sehen.“ Der Besucher musste Benedikt dann im weiteren Gespräch erst einmal auf das liturgische Festdatum des Osterfestes aufmerksam machen: „Heute ist Ostern, der Tag der Auferstehung des Herrn.“
Dass sich Benedikt das österliche Auferstehungsgeheimnis Jesu Christi hinein übersetzt in Begegnung und Gespräch als ein Ostergeschenk kann nachdenklich stimmen. Es deutet sich darin eine gedankliche Linie an, dass Ostern überall dort aufleuchtet, wo Gemeinschaft wird und ist. In der Weiterzeichnung dieser Gedankenlinie darf vielleicht angedeutet werden, dass eine klösterliche Gemeinschaft, in der man einander „sieht“ und miteinander "im Gespräch“ ist, eine Osterwirklichkeit ist.
Gehen wir das Ostergeheimnis bei Benedikt noch einmal anders an. Ostern dürfte auch für ihn nicht einfach ein „Damals“ und dann auch ein „Heute“ gewesen sein, - auch nicht nur ein liturgischer Tag im Laufe der 365 Jahrtage, sondern darüber hinaus das „Morgen“ der Geburt eines neuen Himmels, einer neuen Erde und des neuen Menschen. Dass diese Geburt nach unserem Glauben bereits in Jesus Christus geschehen ist, hinderte den großen Perspektivendenker der Geheimen Offenbarung nicht, seine Vision vom neuen Himmel und der neuen Stadt an das Ende der Zeiten zu denken (Offb 21). Er malt die Zielvollendung des Christusweges in der und durch die Zeit.
Benedikt spricht im letzten Kapitel seiner Regel (RB 73) von der himmlischen Heimat, zu der der Mönch eilen will. Der zügige, ja schnelle Schritt voller Zielwillen und Zieldynamik kennzeichnet den Mönch Benedikts. Er ist kein Drömel, dem das Morgen übermorgen immer noch zu schnell gekommen ist. Ihn prägt eine geduldige Ungeduld, die nichts überstürzt, aber auch vor dem je und je Notwendigen nicht zurückweicht.
Die Osterperspektive des Mönchsweges strahlt aus in einer Haltung der Sehnsucht und Freude. Benedikt scheint vorauszusetzen, dass Ostern gar nicht groß und hell genug gezeichnet werden kann. Seine Lichtkraft und Größe blenden und verschrecken den Mönch nicht, sondern entzünden in ihm ein Feuer, das die Enge (RB Prolog 48) und die Widrigkeiten (RB 58,7) des Weges - ganz banal gesagt: den Alltag des Ich und der klösterlichen Gemeinschaft - bestehen lässt.
Es ist ein „spiritale desiderium et gaudium - eine geistliche Sehnsucht und Freude“, wie Benedikt sagt. Ostern ist der „spiritus movens - der innere Beweggrund“, der den Mönchsweg angehen und durchhalten lässt. Das deutsche Lehnwort „Spiritualität“ darf sicher auch einmal übersetzt werden als das, was begeistert. Begeisterung meint hier nicht das Wohlfühlen in einer „happy hour“, sondern die tiefe Überzeugung, dass etwas im persönlichen Leben aufgetaucht ist, für das sich eindeutiger und konsequenter Einsatz lohnt. Solche Begeisterung ist nicht kopflastig vernünftig, aber eben auch nicht nur ein Bauchgefühl. Es ist ein ganzheitliches Durchdrungensein, dass der Gewinn an Leben das Risiko wettmacht. Nur mit derartigem „spiritale desiderium et gaudium“ kann das christliche - und darin dann auch das klösterliche - Lebensprojekt wachsen und zum Ziel kommen. Ohne die geistliche Sehnsucht und Freude wird es müde vor sich hin dümpeln.
Albert Altenähr OSB
2007-03-28
Die Abbildung ist eine Miniatur aus dem Codex Vaticanus Latinus 1202 (um 1070). Sie stellt die Osterbegegnung Benedikts mit dem Priester dar. Die Bildunterschrift lautet: "Sume. deus iussit. ede nunc, quia pascha refulsit. - Nimm. Gott hat es so geheißen. Iss jetzt, denn das Osterfest ist aufgeleuchtet".