… unter Weinstock und Feigenbaum
Ein biblisches Friedensbild
„Weinstock und Feigenbaum sind die eigentlichen Obstbäume der Bibel (Ps 104,15; Sir 39,26). Sie kommen als Paar verbunden im AT 16mal vor. Neben ihnen spielen noch der Granatapfel, der Maulbeerfeigen- und der Mandelbaum eine gewisse Rolle." Soweit eine nüchterne, sachliche Feststellung. (O. Keel, M. Küchler, Chr. Uehlinger, Orte und Landschaften der Bibel. Bd 1: Geographisch–geschichtliche Landeskunde, Einsiedeln - Zürich - Köln, Göttingen, 1984,. 81.)
Wenn man im AT auf diese Bäume stößt und dabei aufmerkt, füllt sich das Wort von den „eigentlichen Obstbäumen“ mit Ausmalungen der Wertschätzung, der Wonne und Lust, des Reichtums und der Pflege- und Schutzwürdigkeit. Nur ein Beispieltext sei zitiert: „Wenn der Herr, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt, ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt, ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum, ein Land mit Ölbaum und Honig, ein Land, in dem du nicht armselig dein Brot essen musst, in dem es dir an nichts fehlt, … dann nimm dich in acht und vergiss den Herrn nicht“ (Dtn 8,7ff. 11).
Unter den gemeinsamen Nennungen von Weinstock und Feigenbaum, sind mir besonders jene aufgefallen, die sie als Friedensbild nutzen. Anstoß meiner Aufmerksamkeit war die Kurzbeschreibung der Zeit König Salomos (10. Jhd. V.Chr.) als Friedensära. „Er hatte Frieden ringsum nach allen Seiten. Juda und Israel lebten in Sicherheit von Dan bis Beerscheba; ein jeder saß unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum, solange Salomo lebte“ (1 Kön 5,4f). Zur Zeit des Königs Hiskija und des Propheten Jesaja (8. Jhd. V.Chr.) macht die Großmacht Assur Israel das Friedensangebot: „Trefft mit mir ein Abkommen, und ergebt euch! Dann kann jeder von euch von seinem Weinstock und von seinem Feigenbaum essen und Wasser aus seiner Zisterne trinken“ (2 Kön 18,31, Jes 36,16).
Umgekehrt ist die Zerstörung von Weinstock und Feigenbaum ein Bild der Kriegsnot. „Ein Volk zog heran gegen mein Land, gewaltig groß und nicht zu zählen; seine Zähne sind Zähne von Löwen, sein Gebiss ist das Gebiss einer Löwin. Es hat meinen Weinstock verwüstet, meinen Feigenbaum völlig verstümmelt. Abgeschält ließ es ihn liegen, die Zweige starren bleich in die Luft. … Der Weinstock ist dürr, der Feigenbaum welk. Granatbaum, Dattelpalme und Apfelbaum, alle Bäume auf dem Feld sind verdorrt; ja, verdorrt ist die Freude der Menschen.“ (Joel 1,6f. 12).
Und wenn wieder Frieden wird, … dass wieder Frieden wird, … und erst recht, wenn es um den Endzeitfrieden in der Ewigkeitszeit geht, in der Jahwe alles neu richtet, wird das mit dem Bild von Weinstock und Feigenbaum ausgemalt. „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen die Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung, aus Jerusalem kommt das Wort des Herrn. Er spricht Recht im Streit vieler Völker, er weist mächtige Nationen zurecht [bis in die Ferne]. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. Ja, der Mund des Herrn der Heere hat gesprochen” (Mi 4,1-4).
„An jenem Tag - Spruch des Herrn der Heere - werdet ihr einander einladen unter Weinstock und Feigenbaum“ (Sach 3,10). Eine Einladung unter Weinstock und Feigenbaum, das wäre eine Festeinladung zum Frieden. Das wäre vielleicht eine nachdenklich stimmende Variante zur Friedensmoral vieler Jahresend-Reden. Die Einladung unter Weinstock und Feigenbaum ist gewissermaßen eine biblische Bildversion und Vision missionarischen Daseins.
Die reiche Konotation im Bild des Weinstocks und des Feigenbaums muss sicher überall – auch im NT – als Ober- und Zwischenton aufklingend mitbedacht werden, wo der Weinstock und / oder der Feigenbaum genannt werden. Mir ist dieser Hintergrundklang z.B. bei der Berufung des Apostels Nathanael / Bartholomäus ein (An-)Deutungsschlüssel. Jesus sagt da das rätselhafte Wort: “Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen. (Und) Natanaël antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ (Joh 1,48f) Ist das „unter dem Feigenbaum“ eine banale Ortsangabe? … auf die der Jünger mit einem Messiasbekenntnis antwortet? Das „Mehr“ und „Dahinter“ könnte doch sehr wohl sein: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich erkannt, dass du den ‚Frieden’, d.i. Jahwes Fülle suchst. Ich lade dich in meine Nachfolge ein, der ich der wahre Weinstock bin.“
Albert Altenähr
2013-12-24